Das digitale Massaker

Es muss unseren Ur-Großvätern ähnlich gegangen sein. Die Industrielle-Revolution veränderte ihr Leben, ihr Denken, ihr Wesen. Das gewohnte Dasein wurde durch Maschinen, Lärm und Hektik bevölkert. Damals wie heute ist der Mensch sich vor und während der Umgestaltung nicht klar, dass er an einem Umbruch teil hat. Ähnlich muss es schon zu Zeiten der Glaubenskriege und anderer Reformationen gewesen sein.

Ich befürchte, die digitale Revolution ist längst abgeschlossen und wir beschäftigen uns mit den Nachwehen. So unglaublich viele Fragen sind noch gar nicht gestellt und werden schon beantwortet. Und das ist für mich der Unterschied zu vorangegangen gesellschaftlichen Umgestaltungen. Die Geschwindigkeit mit der Änderungen in der Gesellschaft eingeführt werden ist enorm. Man mag sich ja sogar manchmal fragen: „Wie konnte ich nur bisher ohne?“.

Und da ist er… Der Moment, den ich für später erwartet habe… Wozu das alles? Ich versuche mir krampfhaft vorzustellen, wie mein Großvater damit umgegangen wäre, wenn er noch leben würde. Mein Großvater war ein alter SPDler, Atheist aus Überzeugung und fest im Geiste. Er ging keinem Streit aus dem Weg und setzte sich zeit seines Lebens durch. Wie hätte er die digitale Revolution empfunden? Wohl auch mit dem zur nicht digitalen Zeit oft vernommenen Spruch: „Früher war alles besser!“…
Digital bedeutet mehr als 1ne Information nahezu gleichzeitig betrachten und darauf reagieren zu können. Mehr Informationen in weniger Zeit bearbeiten. Wir können das aber nicht. Den Geräten verabreichen wir einfach neue Informationsverarbeitunseinheiten, die parallel Daten prozessieren und in eine Warteschlange schieben können. Mal davon abgesehen, das wir keine Bauteile anfügen können fehlt uns eine Warteschlange. Ich bekomme den Ball ins Gesicht und es tut weh, danach kommt nichts, egal was vorher war…

Das Massaker hat begonnen. Digitale Schlachten um die tiefsten psychologischen Pfeiler der Menschheit sind im Gange. Wir sind Spielsteine eines gnadenlosen Spiels, mit dem Ziel die Menschheit in eine neue Epoche zu führen.
In meinen Augen kann das nur ein Resultat haben. BÄNG! uns platzt allen der Kopf. Und dann? Ja dann ist es zu spät. Zu spät zum Entschleunigen, zu spät zum Verschlichtern. Wir sind gefangen in einem Netz, gewebt um uns herum. Wir können uns nicht befreien, weil wir selbst Teil dieses Netzes sind. Wir befinden uns in einer Transformation zu einem andere gesellschaftlichen Zustand.

Bestimmt von Nullen und Einsen treibt uns die digitale Spinne in die Enge und spinnt um uns einen Kokon, der nur dazu dient uns aus zu lutschen. Denn eines ist sicher, wir alle können uns zwar im Netz winden, aber entkommen werden wir ihm nicht. Es mag immer Freigeister geben, aber auch diese werden vergehen.
Ich für meinen Teil bin zerrissen. Zerrissen von der Schönheit, von der Anmut des digitalen Massakers. Zerrissen vom Anblick der Opfer. Opfer die jeder bringen muss, ob er nun auf dem Rücken der Spinne sitzt oder in ihren Fängen auf die Fangzähne wartet, bis sie ihn aus lutschen.

3 Kommentare

  1. Ha! Hatte schon angefangen, den Artikel zuhause zu lesen und dachte so: „Musst dem Wolfgang mal sagen, dass er mehr Abstand zwischen die Absätze machen könnte.“ Kaum im Büro angekommen, ist mehr Abstand zwischen den Absätzen … Synchronizität, Du wilde Nymphe!

    Dann zum Inhalt, oder besser erstmal was vorn wech: Toller Text! Schön geschrieben. Hach, da geht mir das Herz auf. Sowas würde ich hier gerne öfter lesen.

    Jetzt zum Inhalt: Du unterschätzt Deinen, unseren Handlungsspielraum bei der Sache. Wir haben es in der Hand! Selber in der Hand. Du bist Entwickler, Wolfgang, Du kannst das Netz verändern, die Welt verändern. Kaum ein Handwerk ist so mächtig, wie unseres. Wir können dem Schlachten einhalte gebieten. Wir können alldem etwas entgegen setzen. In dem wir es programmieren und in dem wir unser Nutzungsverhalten anpassen.
    Ich behaupte mal: Nirgendwo kann man mehr bewegen als in unserer Domäne und nirgendwo ist das Potential größer.

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  2. @ben_ Danke für das Lob, bedeutet mir sehr viel.

    Das ist ja gerade die Crux an der Sache!
    Ich würde mich gerne mehr diesem Netz entziehen. Stelle aber immer wieder fest, das mich dieses Netz so unglaublich fasziniert, das ich nicht wegsehen mag (oder gar kann?). Ähnlich wie in der Politik sehe ich mich prinzipiell machtlos gegenüber dieser Gewalt. Natürlich kann ich anders. Aber wieviel Energie muss ich dafür aufbringen?

    90% meiner Freunde sind nicht annähernd so technikaffin wie ich. Bzw. sie besitzen zwar technik, dringen aber nicht so tief ein wie ich. Keiner setzt sich mit dem Thema Facebook oder Soziale Netze auseinander. Keiner würde ohne zwingenden Grund Diaspora (for example) verwenden. Aber im Prinzip hat auch keiner von denen Interesse daran Informationen im Web zu veröffentlichen…

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  3. Sehr schön zu lesen und erstaunt mich, wie tiefgründig deine Texte sind.
    Dein Opa wäre ein Fan von Dir.
    Er ging damals erster seiner Zeit voran, er hatte schon in jungen Jahren den Wandel der Zeit erkannt. Er hatte als erster einen Fernseher, sowohl schwarz/ weiß, als auch bunt.
    Er fuhr als erster ein Auto und er hatte als erster eine elektrische Schreibmaschine.
    Deine Oma hatte als erste einen Computer um Spiele zu spielen.
    Würde dein Opa heute noch leben Du hättest den idealen Gesprächspartner.
    In den Jahren vor deiner Zeit wurden Mädchen geheiratet, dein Opa wollte Mädels, die IHREN Mann stehen können, also mußten wir eine Lehre machen. Wenn du das liest, weißt du woher auch Du tief in Deinem Innern diesen Drang nach Wissen hast, den ich schon immer an Dir bewundert habe.

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